Schmitz, Anne-Kathrin/Köngeter, Stefan/Lau, Dayana: Die Übersetzung der Anderen – Der Diskurs über ‚orientalische Juden‘ in der jüdischen Sozialarbeit zwischen Deutschland und Palästina/Israel

Soziale Arbeit ist seit ihren Anfängen als moderne Profession Ende des 19. Jahrhunderts ein transnationales Projekt, das gekennzeichnet ist durch die Zirkulation von Wissen, Theorien und Modellen (Chambon et al. 2015). Dabei spielten soziale Bewegungen, wie zum Beispiel die Frauenbewegung (Rowbotham 2010) genauso eine Rolle wie internationale Konferenzen, Universitäten und internationale Politiknetzwerke (Rodgers 1998). Mit dieser transnationalen Übersetzung ging der Aufbau nationaler Wohlfahrtssysteme und auch Formen der Kolonialisierung einher (Midgley 1981), die bislang in Bezug auf die Entwicklung der Sozialen Arbeit in Israel kaum untersucht wurde (vgl. aber Konrad 1993; Hirsch 2011). In diesem Beitrag soll es um die Variationen dieser kolonialen Übersetzung Sozialer Arbeit zwischen Deutschland und Israel gehen. Deutsch-jüdische Sozialarbeiter*innen hatten wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Sozialen Arbeit als Profession im dem damaligen Palästina unter britischem Mandat, insbesondere in den 1930er und 1940er Jahren bis zur Staatsgründung Israels. Sogenannte ‚orientalische Juden‘ waren dabei eine wichtige Klient*innengruppe: Sie wurden als die Anderen adressiert, die mithilfe sozialarbeiterischer und -pädagogischer Methoden integriert werden sollten. Anhand von Aufsätzen deutsch-jüdischer Sozialarbeiter*innen, die nach Palästina ausgewandert sind und die der in Deutschland verbliebenen jüdischen community vom Aufbau Sozialer Arbeit berichteten, werden Variationen dieser Übersetzung der Anderen und der sich darauf beziehenden Sozialen Arbeit diskursanalytisch rekonstruiert.
Diese Übersetzung der deutsch-jüdischen Sozialarbeit in einen anderen kulturellen Zusammenhang lässt sich als synchrone Übersetzung von Ideen und Wissen in einem transnationalen Kontext verstehen. Gerade in dieser besonderen historischen Konstellation, in der die weitgehend mit der westlichen Welt identifizierten deutsch-jüdischen Sozialarbeiter*innen aus dieser Welt vertrieben wurden, wurden bisherige Gewissheiten irritiert. Daran schließen sich zwei zentrale Fragen an: a) Wie wird mit der Fremdheit des damaligen Palästinas und der ‚orientalischen Juden‘ umgegangen und diese für die deutsch-jüdische community übersetzt? b) Wie wird das Wissen über Soziale Arbeit nach Palästina übersetzt und wie wirken diese Übersetzungsprozesse auf den machtvollen Status ‚westlichen‘ Wissens zurück?

Reference

Schmitz, Anne-Kathrin, Köngeter, Stefan, Lau, Dayana (2020): Die Übersetzung der Anderen – Der Diskurs über ‚orientalische Juden‘ in der jüdischen Sozialarbeit zwischen Deutschland und Palästina/Israel. In: Übersetzung; hrsg. v. Nicolas Engel und Stefan Köngeter. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 153-174.